Edward Nunes
© Alice Blangero Edward Nunes wurde in Ponta Grossa, Paraná (Brasilien) geboren und schloss seine Ausbildung im Fach „Zeitgenössischer Tanz“ an der brasilianischen Bolshoi Theater School in Joinville ab. 2015 war er Mitglied der Junior Company der Schule und gewann die brasilianische Qualifikation für den Tanzolymp. Beim Finale des renommierten Wettbewerbs in Berlin belegte er 2016 den 1. Platz. Es folgten Engagements am Landestheater Salzburg unter Peter Breuer sowie als Soltänzer am Musiktheater Linz unter Mei Hong Lin, wo er u.a. Hauptrollen in Carmen, Der Nussknacker und Die Meerjungfrau tanzte. Ab 2019 Mitglied in Goyo Monteros Ballett des Staatstheaters Nürnberg arbeitete er eng mit dem Ballettdirektor sowie mit Choreograf:innen wie Ohad Naharin, Sol León & Paul Lightfoot, Alexander Ekman, Hofesh Shechter und Marco Goecke zusammen. Bereits während seiner Ausbildung begann Edward Nunes auch zu choreografieren, weitere Produktionen entstanden für das „Junge Choreografen“-Projekt in Nürnberg. Das Dance Europe Magazin nominierte ihn zweimal in der Kategorie „Herausragender Tänzer“, die Zeitschrift tanz widmete ihm ein umfangreiches Porträt. 2023 erhielt Edward Nunes für seine herausragenden künstlerischen Leistungen den Kunstförderpreis des Freistaates Bayern. Seit der Spielzeit 2025/26 tanzt er im Staatsballett Hannover.
Welche künstlerische Zusammenarbeit hat dich besonders geprägt?
Sol León und Paul Lightfoot – das war eine der außergewöhnlichsten Erfahrungen meiner Karriere. Als ich in Brasilien aufwuchs, schienen diese Künstler so weit weg zu sein, dass ich niemals gedacht hätte, sie persönlich zu treffen. Die Chance zu bekommen, nicht nur ihre Werke zu tanzen, sondern auch ihren kreativen Prozess aus nächster Nähe zu erleben, war unglaublich. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber es fühlte sich an wie einer dieser Momente, in denen sich ein Kreis schließt und man spürt, wie weit Leidenschaft und harte Arbeit uns bringen können.
Hast du ein besonders Ritual, bevor du auf die Bühne gehst?
Musik hilft mir immer, in die richtige Stimmung zu kommen – sie macht mich fröhlich und gibt mir das Gefühl, bereit zu sein. Und direkt bevor ich die Bühne betrete, mache ich eine kleine Sache: Ich klopfe dreimal auf Holz, als Glücksbringer. Es ist etwas ganz Einfaches, aber es erdet mich, bevor das Bühnen-Licht auf mich gerichtet wird.
Welche Persönlichkeit aus der Ballettgeschichte würdest du gerne mal auf einen Kaffee treffen – und warum?
Das ist eine schwierige Frage. Da ich etwas später mit dem Tanzen begonnen habe, bin ich nicht wirklich mit vielen Ballettidolen aufgewachsen. Aber ich glaube, ich würde gerne jemanden treffen, der mit Konventionen gebrochen hat – jemanden, der bewiesen hat, dass es nicht nur einen einzigen Weg gibt, Tänzer:in zu werden.
Welche Reaktion nach einer Aufführung hat dich am meisten gefreut?
Das war während eines Doppelabends, bei dem ich nur in den Gruppenszenen getanzt habe. Obwohl ich weder ein Solo noch eine Hauptrolle hatte, kamen die Leute nach den Vorstellungen auf mich zu und sagten mir, wie kraftvoll meine Präsenz wirkte und wie sehr meine Energie auf der Bühne herausstach. Später wurde ich für genau diese Rollen sogar als „herausragender Darsteller“ nominiert. Diese Anerkennung – nicht nur die Nominierung, sondern vor allem die ehrlichen Reaktionen der Menschen im Publikum – hat mir das Gefühl gegeben, wirklich gesehen zu werden und hat mich daran erinnert, dass man auch als Teil einer Gruppe einen echten Unterschied machen kann.
Welche Musik hörst du, wenn du nicht arbeitest?
Mein Musikgeschmack ist ziemlich vielseitig, aber brasilianische Musik ist für mich immer die erste Wahl – sie verbindet mich innerlich mit meiner Heimat. Morgens höre ich am liebsten energiegeladene Songs, die mir Schwung für den Tag geben. Wenn ich jedoch in einer stillen oder nachdenklichen Stimmung bin, lege ich eher etwas Ruhigeres oder sogar leicht Melancholisches auf.
Welche Rolle kann der Tanz in unserer Zeit spielen?
Tanz ist universell – er spricht die Menschen auf eine Weise an, wie es Worte oft nicht können. Am meisten liebe ich, dass er niemals zweimal derselbe ist; man kann dasselbe Ballett drei Mal sehen und jedes Mal fühlt es sich anders an. Genau das macht das Ganze heute so kraftvoll: Tanz schenkt jedem Menschen ein ganz persönliches Erlebnis, eine eigene Bedeutung; etwas, das man mit nach Hause nimmt.